Liebesbedürfnisse, Urschmerzen und Todessehnsucht

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Massive Ablehnung und fehlende Mutterliebe prägten mein Leben. Die Abspaltung meiner Lebenskräfte hatte schon in der Gebärmutter stattgefunden, weil ich ungewollt war und alles versucht wurde mich zum Verschwinden zu bringen. Liebe war bereits zu diesem Zeitpunkt für mich mit dem unaushaltbaren Schmerz verbunden, die Liebe nicht erreichen zu können. Ich habe um mein Leben gekämpft schon vorgeburtlich, dann bei der Geburt und weiter für die ersten 10 Lebensjahre in abhängiger Gegenwart meiner Mutter. Sie wollte mich nicht nur nicht, sie versuchte auch mich zu töten. Der bedingungslose Wille, mich nicht umbringen zu lassen, hat mich gerettet und tief gespalten. Neben der Wut und dem Hass auf sie entstand ein abgrundtiefer Schmerz. Obwohl sie mich hasste, war eine große Liebesfähigkeit und der Drang nach Ausdruck des Liebens in mir.

Die Zurückweisung der eigenen Liebe und des damit verbundenen Bedürfnisses geliebt zu werden ist unendlich schmerzhaft. Ich zog mich zum Selbstschutz zurück und versuchte mich durchs nicht mehr hinbewegen vor einem weiteren Zurückweisungsschmerz zu schützen. Um den Schmerz des nicht gewollt und nicht geliebt Seins zu überleben, unterdrückte meine Psyche das Urbedürfnis nach Liebe. Ich verlor meine Liebesbedürfnisse phasenweise komplett. Die riesige Sehnsucht nach warmer Mütterlichkeit war ausblendete, Hass regiert meine primäre Bindungsbeziehung und die Liebesfähigkeit konnte nie erwachsen werden. Ich war viel zu früh äußerlich autonom und bin gleichzeitig innerlich nie aus dem anfänglichen existenziellen Abhängigkeitsverhältnis herausgekommen. Ich lebe mit Selbst- und Mutterekel hinter dicken Wänden psychischer Abwehr, die früher nötig waren, um das Zusammenleben mit einer lieblosen und gewalttätigen Mutter auszuhalten. Bis heute öffnete sich mein Herz nie wieder ganz, aus Angst vor dem bodenlosen Urschmerz, der abgespalten und doch ahnbar in mir schlummert. Die Betäubung von psychischen und körperlichen Schmerzen wurde zu meiner Hauptbeschäftigung.

Mein Vater versuchte sein Bestes und kümmerte sich. Er hat mich stabilisiert und mir die Ressourcen zum Überleben zukommen lassen. Die Wunde der fehlenden Mutterliebe, den damit verbundenen Schmerz der Zurückweisung, die Angst vor dem Verlassensein, die Wut und den Hass auf die eigene Mutter könnte er mir nicht heilen (auch weil er selbst nichts (mehr?) für sie empfindet). Das muss ich als Erwachsene jetzt selbst in Angriff nehmen. Mir immer wieder die Verlassenheit eingestehen und das schmerzhafte Fehlen anerkennen. Mit dem Schmerz des Nichtgeliebtseins atmen und lernen die Urtrauer in mir anzunehmen sprich mich ins Lieben einbeziehen und weinen. Die Sehnsucht nach herzlicher und realer Mutterliebe bleibt mir wohl lebenslang unerfüllt.

Ich leide und litt unfassbar unter Einsamkeit. Oft fühle ich mich wie der einsamste Mensch auf der ganzen Welt. Statt im Liebesmodus zu leben, bin ich emotional betäubt im Angst-, Stress-, Pflicht- und Kampfmodus erwachsen geworden. Die Suche nach einem Ersatz für die fehlende Mutterliebe hat mich in den emotionalen und sexuellen Missbrauch getrieben. Mein nach Körperkontakt ausgehungerter Körper war eine leichte Beute für Übergriffigkeiten aller Art. Sexualisierte Gewalt untergräbt die Fähigkeit mich gut im Körper zu verankern und meine Urbedürfnisse zu spüren. Später lebte ich im krampfhaften Bemühen, die gedankliche Kontrolle über die eigenen Nähebedürfnisse und die damit verbundenen Gefühle zu behalten. Ein Partner wurde innerlich herbeigesehnt und äußerlich auf unerreichbare Menschen projiziert.

Wer, wie ich, seine Mutter emotional nicht erreichen kann, wird auch für sich selbst auf der Gefühlsebene nicht erreichbar. Ich habe überlebt als Liebesunfähige, die ihr Bedürfnis nach Zuwendung nicht ausleben kann. Liebe und körperlicher wie emotionale Schmerz sind für mich gekoppelt. Die Qualität der primären Mutterbeziehung wiederholte sich in allen weiteren Liebesbeziehungen. Bis heute ist Liebe mit unaushaltbarem Schmerz verbunden, weil ich sie nicht erreichen kann. Früher war es das unerreichbare Herz der Mutter, später unerreichbare Männer, die ich liebte, im Moment reinszeniere ich das Szenario mit meiner Bezugspflege in der Klinik (auf einer bewussten Ebene). Es tut unfassbar weh und ich lerne darin zu atmen. Es hilft ein präsentes Gegenüber zu haben, das in sich klar in der Funktion agiert und auch das menschliche Herz besitzt die Wahrheit zu benennen. Sie wirft mich immer wieder auf mich zurück und macht spürbar, wie leid es ihr tut mich in dieser Not zu erleben. Der von so vielen schon eingebrachte Hinweis zur Selbstliebe als Voraussetzung für die Zuneigung eines anderen Menschen schmerzt. Von ihr kann ich ihn annehmen und dem Schmerz des eigenen Unliebe begegnen. Schon die Berührung von meiner Hand auf meinem Körper lässt die Tränen hervorquellen, an manchen Stellen löst sie Übelkeit und an anderen Krämpfe oder Zittern aus. Ihre Erfahrung und Klarheit richtet mich aus im auch damit okay sein. Eine der vielen „Sterbenächte“ mit Schlaflosigkeit im Wechsel mit Alpträumen, die mich zwischen Leben und Tod beuteln wird mir ewig unvergessen bleiben. Sie hörte mein Wimmern und kam erst noch distanziert mit „was ist los“ ans Spitalsbett. Ich wimmerte nur sprachunfähig. Sie blieb da, präsent stehend und irgendwann brach es aus mir heraus „ich bin so alleine“. Sie setzte sich an die Bettkante und wiederholte „es ist okay“ bis es mein System erreichte und ich ein „ich war so alleine“ flüsterte. Sie kam noch näher und flüsterte in mein Ohr „es ist okay“. Dieses Flüstern ist bis heute in jedem Moment großer Not da, es kommt aus dem Raum der Körpererinnerung. Als ich meinen Liebesurschmerz nicht mehr versteckte, sondern mich darin authentisch zum Ausdruck brachte, öffnet sich ihr Herz und strahlt durch die Funktion in der schönsten menschlichen Präsenz mir die mütterliche Zuwendung in die Verlassenheitsnot. „Zuwendung beginnt in der Peripherie (bei den Füßen und Händen).“ und „Liebe sollte sehend und nicht blind machen, bleib da bewusst und absichtslos in dir.“ sind tiefe Wahrheiten in die ich gerade hineinlebe. Ich brauche ein gewisses Maß an Balance im Nervensystem, um das realisieren zu können. Und wenn ich sie nicht herstellen kann und alles fehlt dann falle ich in schwarze Löcher der übelsten suizidalen Abgründe.

Ein Gedicht ist in diesen zahlreichen Nachtstunden zeilenweise hervorgekommen aus meinen Tiefen der erschöpften Verzweiflung es nicht hinzubekommen zu lieben und retour geliebt zu werden. Wie so oft, wenn ich meine Erwachsene brauche in englischer Sprache:

 

All is dark

I don´t know anything anymore. I feel ready to die.

Every physical pain is better than the emotional pain inside.

Maybe I can emotionally bleed to death.

I´m being tortured for livetime, because nobody cares.

I´m one of the nameless living death, because no one loved me.

Not even enough to keep this inner torture from happening.

The deepest pain is not felt by one but by seperate two.

I´m so dead inside there is nothing to be done with me.

I´m done with myself. I hate myself. A dead soul leading a deadly show.

This state pervades my entire body. The beast reigns over me.

The most powerful substitute for love is killing myself.

There is no way into love. I´m now ready to die.

Still I´m dragging out the pain of endless seperation.

I´m too sensitive, too hurt, too ashamed, too intelligent.

Attracting attention is evil. I´m evil. I´m a needy evil.

A sign that someone cares is all I need.

A touch to let me know that someone is aware of my tears.

Where is the tenderness for which I have always yearned?

I want human love as well! I failure to die without.

I want to feel closeness and emotional union.

I want to be inside of you loved one for the rest of my life.

This is the endless painfull cry for love in my ruins.

Without you I don´t exist. Please don´t leave me.

Don´t drop me. Stay, please stay with me.

 

Wohin mit meiner Liebe, wenn ich sie nicht auf mich richten kann, weil das zu schmerzhaft ist? Bei und in mir! Das bedrängen und überfordern mit meinen Liebesausdruck und Sehnsüchten stoppen und den Schmerz des abgelehnten und ungeliebten Kindes in mir konfrontieren. Kein Aspekt von mir verdient Ablehnung. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose das von uns Hilfe will. Es geht um Beziehungsaufbau zum Einsamen in mir. Meinem furchtbarsten inneren Anteil das Dasein erlauben. Weinen, trauern und den riesigen Ozean der Traurigkeit beatmen. Ich konnte die, die ich liebte nicht erreichen. Es geht darum die annehmende, offene, urteilsfreie Fürsorgliche zu werden für alle Scheißgefühle und Körperzustände. Heilung geschieht im immer mehr im Körper spürbare Gefühle erlauben. Dazu muss ich den Schatten – mich selbst – aus dem Verstandesraum der Wertung in den unlogischen Raum des Herzens bewegen. Keiner kann mir diese Verantwortung nehmen, nur eine regenerationsförderliche und sichere Umgebung anbieten. Das alleine ist schon sehr viel und nun in der Klinik erstmals gegeben. Hier brauche ich keine harte Schale, weil ich in einer schützende Schale meine Weichheit zulassen kann. Da ist Raum und immer wieder Pause in der die Trauer zugelassen und gefühlt werden darf. Es ist unglaublich hart und mir manchmal unmöglich alleine zu trauern. Dann warte ich Nachtstunde um Nachtstunde auf ein zweites Herz im Nichtwissen ob wer kommt und mir hilft ein paar Momente nicht alleine zu sein. Manchmal übernimmt mich dann ein größeres kosmisches Herz und der Raum flüstert zu mir „ich liebe dich“. Der Körper zittert dann immer noch in der Verlassenheit und gleichzeitig erfährt die Seele Halt im universellen Raum der Liebe.

Tiefe Trauer ist schmerzlich, unerträglich wird sie erst durch die Abwertung. Es geht nicht darum die Lebensgruben kleiner zu machen, sondern sich darin okay sein zu lassen. Das Lochdasein wird akzeptiert. Es wird mir erlaubt darin Geborgenheit zu erfahren, wenn ich die Fürsorge zulassen kann. Ich darf Gefühle und Empfindungen erforschen, die immer verboten waren, und muss sie nicht mehr kontrollieren, regulieren und wegmachen. Da ist die altbekannte Traumaurerfahrung des gottverlassen, allein im Universum seins und niemand schärt sich um mich UND gleichzeitig die neue reale Erfahrung der Fürsorge, des Nachfragens und Eingeladenseins dazu, das Herz von dem zu sein was ist, was ich im Moment bin. Wie mitten in einer Serie an Körperflashbacks meine Hände am Tisch nicht mehr realisieren und über aus dem Nichts auftauchende fremde Hände wie eins werden bis die Tränen spürbare Verbindung verkörpern. Gemeinsam die Hände eincremen und lernen, dass Fürsorge okay ist. Meine Hände kein fremdes Ding, sondern ein wertvolles Lebewesen mit einem ganz individuellen Subjekt dran handlungsfähig machen. Fürsorge zu lernen ist schmerzhaft, weil die Jahrzehnte der Fremd- wie Selbstmissachtung spürbar werden. All die Jahre habe ich mich Hautkranke notgedrungen eingeschmiert und nie etwas außer Taubes empfunden und es als lästig bedacht. In Präsenz alles spüren was da jetzt berührt wird lässt mich schwindlig, unsicher, zittrig Zuneigung spüren. Die Angst vor mir, vor Güte für mich, vor dem Zerfall des negativen Selbstkonzeptes wird ganz praktisch herausgefordert. Die alles entscheidenden Fragen sind: Lasse ich mich lieben, von anderen, von mir? Bin ich meiner Liebe würdig? Und werde ich irgendwann Sehnsucht nach mir empfinden?

Was ist das für eine Liebe, die mich selbst ausschließt? Liebe ist ein Geschenk ohne jedes Recht! Leben hat ein permanentes Rückgaberecht. Liebe hingegen ist kein Deal, sie beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Es ist schmerzhaft, aber die Realität: Keiner muss mich lieben, nur weil ich ihn liebe. Liebe ist und sie ist bedingungslos.

Liebe ist die alles verzehrende und alles schenkende völlig unkontrollierbare Kraft, die auslöscht und Verbindung herstellt. Alles Andere in ihrer Strahlkraft verblassen lässt. In einem Wimpernschlag schleudert sie mich aus dem Himmel in den Morast des Kummers. Sie höhlt mich aus, hämmert sich durchs Fleisch, lässt mich bluten bis zum Kern der Qual „unerfüllt zu sein“. Sie gibt Hoffnungsfunken ein und lässt sie verlöschen. Hievt in den Olymp der Vollendung, nur um in völliger Willkür meinen Leib in ein Moor von Sehnsucht zu tauchen. Wenn ein erwiderndes Gegenüber da ist, wird das Dunkelste in warme weiche Berührung gekleidet. Ohne die Liebe ist alles nichts. Und nur die Liebe heilt. Hier und jetzt heilt mich die Liebe in Form von menschlicher Zuwendung und ehrlicher Fürsorge. Danke für jeden kostbaren Moment des bedingungslosen Berührens und Daseins!

Als Ergänzung ein paar Bildeindrücke aus der Kunsttherapie – mein absoluter Favorit an die Wand rücksichtslos großflächig gestalten – ins Zimmer holend meine Wahrnehmung sichtbar machen:

Meine Essenz
Mein getrenntes Selbst
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