Schmerz fühlen und spüren oder nicht das ist hier die Frage. Und eine Erlebensantwortfülle aus meinem Sosein.
Die letzten Wochen und Monate haben mich umfangreich geschult bei Schmerzerleben tiefer, noch präziser bewusst klar zu bleiben, in und mit dem Weh, wie es kommt und geht. Sehen was geschieht mit und in mir im Anstrengen noch irgendeine Kontrolle zu behalten, verzweifelt versuchen, dass nicht noch mehr Schmerz dazu kommt, letztlich scheitern, mitkriegen wo der Kampf mit dem Leben wie es ist endet, endlich das Aufgeben geschieht und reinfallen ins erlösende Weinen geschieht, bemerken ob es wieder anders wird oder ich mich einschleife in endloser Trauer, selbst darin vorfinden und erleben auch das geht wieder vorbei. Niedergang ist ein natürlicher, aber kein dauerhafter Zustand. Es waren mehrere Grenzerfahrungen, fast schon drüben und doch wieder retour, aber auch sanftere Formen, ein breite Palette an Schmerzerleben. Und genauso ein Aufstehen mit „nein so nicht mehr“ da war ich schon x-Mal, diese Sackgassen der Selbstverletzung kenne ich. Keine Ahnung ob ich fertig bin, im Moment fühlt es sich mit Bewusstsein durchdrungen an, mein Dasein mit körperlichen und in emotionalen Schmerzwellen.
Ein Ein- und Überblick aus dem was an Schmerz gefühlt werden muss, warum mancher Schmerz schwer zugänglich ist, mancher völlig unnötig ist und wieder anderer wärmend rückverbindet mit der eigenen Wahrheit. Es geht also um das unangenehme im Leben: Schmerz. Schmerz zu fühlen bedeutet nicht gleich Schmerz zu fühlen. Und Schmerz zu fühlen bedeutet nicht gleich Schmerz zu heilen. Manche Schmerzen bringen uns tiefer zu uns selbst, lassen uns wachsen, machen uns präsenter und schaffen mehr Verbindung. Andere halten uns gefangen und gaukeln uns eine Tiefe vor, die in Wahrheit nur lähmt.
Ich erfasse neun Arten von Schmerz. zwei davon sind wie Irrlichter in meinen Augen (1. und 7.), die immer wieder auf denselben Trampelpfad locken – nicht, um tiefer zu fühlen, sondern um uns in einer endlosen Spirale zu verstricken. Sie verlangen keine Hingabe ans Fühlen, sondern Klarheit und Kontext. Die anderen betrachte ich als „sinnvoll“, weil sie Vertiefung, Integration, Vollständigkeit, Verbindung, Klarheit und Wärme bringen. Das tiefe Mitgefühl mit mir selbst ist die Heilung. Das Spüren und Fühlen „ich bin mir nah obwohl es weh tut“ ist der Trost, der immer fehlte. Die herzlichen warmen Hände halten den unermesslichen Schmerz, fühlen die Verbundenheit in ihrem Fehlen, schmelzen die Kälte und Härte des Schutzes der Ablehnung der eigenen Not und berühren die eigene Wahrheit wie sie war und ist.
Was nicht heißt, dass das fühlen und spüren vorbei ist ganz im Gegenteil da sind Trauerozeane, Weltwut und tiefes Prozessgeschehen am durchlaufen. Mit all dem inklusiver der Somatisierungen heute beim Osteopathen die Augenhöhlen, Kiefer und Hals bearbeitet mit Angstwellen lösend durch den Körper in die Ruhe finden. Sein Resümee nach einer langen abschließenden gemeinsamen Stille: Da ist so viel Liebe, auch für sie selbst. Niemand hatte so ein riesiges liebendes Herz im Energiezentrum des eigenen Seins wie sie. Klar macht ihnen das Angst und bedroht mitunter auch jene die sie Lieben, weil diese Liebe Schmerzprozesse mit sich bringt. Bleiben, nur bleiben darin mit allem. In der Liebe sind sie damit auch stabiler als alle Anderen, vor allem auch für sich selbst da. Halleluja am Punkt benannt: Da ist so viel Liebe auch für mich hier und jetzt da.
Wir haben gelernt, dass Heilung bedeutet, unsere Wunden verschwinden zu lassen. Dass wir erst ganz sind, wenn wir unsere Schatten besiegt haben. Dass wir erst dann wertvoll sind, wenn wir unser Chaos sortiert, unsere Wut besänftigt und unseren Schmerz überwunden haben. Aber was, wenn das die größte Lüge ist Was, wenn Heilung nicht bedeutet, etwas loszuwerden, sondern es zu akzeptieren und zu erlauben? Was, wenn Unheil-Sein der Schlüssel ist? Tja dann bin ich angekommen in dem was ist. Nun zu dem erforschten Erleben im mit meinem Schmerz sein:
1. Loop-Schmerz
Loop-Schmerz ist wie ein altes Lied, das in Endlosschleife läuft. Die Melodie bleibt gleich, das Gefühl bleibt gleich, nur das Setting ändert sich. Wir glauben, wir fühlen tief, aber in Wahrheit kreisen wir nur immer um denselben Punkt. Das ist eher Leiden. Loop-Schmerz ist eine Sackgasse. Hier geht es nicht darum, mehr zu fühlen, sondern den Kontext klarer zu erkennen und eine Art Entgiftung von dem Muster zu machen, durch eine bewusste Entscheidung und zu schauen, was eigentlich Verletzliches darunter liegt, was die wirkliche Not ist und was hier und jetzt hält.
Mein Beispiel: Ich versuchte immer wieder, allen beizustehen und hilfreich zu sein, fühlte mich dabei aber immer erschöpfter, frustrierter, trauriger, ohne dass sich etwas FÜR MICH verändert. Ich hoffte, dass irgendwann jemand meine Bemühungen erkennt und mich endlich wertschätzt. Doch die Resonanz bliebt aus. Fürsorge für mich blieb aus, wenn es mir mies ging war keine/r da, der mir Beistand. Das reinszeniert sich in Schleifen, die „scheinbar starke Barbara, die alles aushält und so erscheint als bräuchte sie niemand“. Die hilflose Helferin, die von sich auf andere schließt und mitfühlt, nur halt nicht ausreichend mit sich selbst, um mit diesem Spiel aufzuhören. Dann ist da meine Not, diese unfassbare Traurigkeit alleine zurückgelassen nicht geholfen zu bekommen, sondern ignoriert zu werden. Als Beistand war ich „gut genug“ für meine Bezugspersonen, wenn es ihnen dreckig ging war ich die Retterin mit aller Kraft, doch wenn es ihnen mal gut ging, sie mit Lebensfreude unbeschwerte Stunden verbrachten, war ich uninteressant, unerwünscht, egal bis abgelehnt. Das tut sauweh, das ist Missbrauch und war Parentifizierung, die Rolle der Wahl aus der Not, um irgendeinen Kontakt haben zu können und ab und zu Verbindung zu erleben. Bis heute schaut dieses im und mit dem eigenen Schmerz alleine gelassen werden vorbei in mein Leben. Es ist in meinem Erleben ab und zu wie innerlich überfallen werden von brennenden Bindungshunger. Völlig ausgeliefert einer Nähebedürftigkeit, die mir unstillbar erscheint und panikartige Notmomente wie aus dem Nichts (sprich wenn ich zu lange ohne substanzielles Beziehungserleben war bzw. auch nach guter Nähe, wenn es wieder darum geht alleine klar zu kommen). Da rotiert mein Bindungssystem zwischen Überaktivierung (Bedürftigkeit) und Deaktivierung (ich brauche niemand, weil eh keiner da und das alles nur viel zu weh tut). Hohe Kunst mich darin wirklich um mich zu kümmern, zu regulieren, kontaktfähig zu bleiben und somit neue Erfahrungen möglich machen.
2. Verlust-Schmerz
Es gibt den rohen, brennenden Schmerz des Verlusts, wenn etwas Unveränderbares passiert – wenn jemand geht für unbestimmte Zeit oder aus menschlicher Sicht „für immer“ (also den Körper verlässt). Dieser Schmerz ist echter als der erste. Das ist ein Türchen in die Tiefe und in die Reife. Er macht weicher. Dieser Schmerz tut so unfassbar weh, weil er von Liebe kommt. Weil er den Verlust von Liebe fühlbar macht. Weil er uns zeigt, dass wir verbunden waren und es nicht mehr sind. Dass wir etwas hatten, das bedeutend ist und war. Dieser Schmerz kann nicht umgangen werden. Er verlangt kein Erkennen, keine neue Perspektive, keine Entscheidung, keine Ablenkung. Er verlangt Hingabe. Er will gefühlt werden.
Mein Beispiel: Ich wurde oft verlassen. Gefühlt ist jede Verbindung eine Vorstufe des Verlustes. Dementsprechend vorsichtig gehe ich in Bindung und wenn eine da ist halte ich lange fest. Ein festhalten kann dann in der kindlichen Magie die Beziehung in der Vorstellung weiterzuleben münden. Der erste Verlust war mein Zwilling im Mutterleib, der den Abtreibungsversuchen und Sportaktivitäten meiner Mutter zum Opfer fiel. In meinen Armen, wie lange hab ich ihn festgehalten, bis zum Zerfall. Oder bis ich dann mit seinen Resten und der in weiten Teilen abgestorbenen Plazenta in der völligen Ohnmacht zu früh ins Leben geholt wurde. Zu dem schon in der Gebärmutter verlassen worden war es ein kommen und gehen an Verbindungen. Einschneidend war jene mit acht der Suizid meines Nachbarn, mit dem ich davor eine Art geheime „Freundschaft plus“ lebte. Der Verlust war hart, weil ich nur geheim trauern musst, seine Zuwendung dann fehlte, sein Zufluchtsort wegfiel. Da ging sehr viel kaputt in mir, auch weil ich mir die Schuld gab. Es ging ihm durch die Depressionen schlecht, ich wusste darum, er bat zu bleiben und ich ging in die Schule, weil ich es wollte, anstatt ihm beizustehen durch den Tag zu kommen.
3. Schmerz, den uns andere zugefügt haben
Manchmal tut es weh, weil jemand uns verletzt hat – weil wir missbraucht, manipuliert, verraten, verlassen, beschämt wurden. Das kann von Eltern ein wiederholtes Ignorieren gewesen sein oder ein Benutzt-werden in der Liebesbeziehung. Was macht diesen Schmerz anders? Er trägt Fragen mit sich: Bin ich liebenswert? Bin ich sicher? Kann ich anderen vertrauen? Das sind emotionale Aspekte. Und genau deshalb muss er gefühlt werden. Denn solange wir ihn vermeiden oder intellektualisieren, bleibt er in uns gespeichert. Wir wiederholen ihn in unseren Beziehungen. Wir misstrauen, wo Vertrauen möglich wäre. Wir schützen uns, wo Nähe möglich wäre. Und hierbei geht es nicht darum, sich in der Vergangenheit zu verlieren, aber auch nicht in die Falle zu tappen, zwischen Anklage und Selbstmitleid hin und her zufallen.
Hier geht es um ein Ernstnehmen dessen, was wehgetan hat, anstatt es klein zu reden und mich zu wundern, warum ich nicht drüber hinwegkomme, weil die Eltern haben es ja nicht besser gewusst oder sie haben ja ihr bestes gegeben. Als ob solche absurden vernunftsorientierte Rationalisierungen, die die Eltern verteidigen, heilen würden. Warum machen wir das? Aus Liebe und aus Schutz, um Schmerz nicht zu fühlen. Aus Angst, egoistisch oder zu sensibel zu sein. Sich selbst emotional hier ernst nehmen hat unfassbar viel mit Würde zu tun.
Mein Beispiel: Meine Mutter hat mich auf alle nur erdenkliche Weisen missbraucht und ist sich dessen bis heute nicht bewusst. Sie hat mich nie gesehen, nur gebraucht und mein wirkliches Wesen ignoriert. Als Entladung ihrer Wut, als Kummerkasten, als die die sie versorgt und ihre weiteren Kinder gleich mit und vieles mehr, das ich hier auslasse war ich praktisch, ansonsten und grundsätzlich jedoch unerwünscht. Ich rannte von einer Selbsterfahrung, zu Persönlichkeitsentwicklung, bis Heilungsmethode zur nächsten, um stark genug zu sein meiner Mutter zu begegnen und sie in ihren Zuständen/Bedürftigkeiten (aus)halten zu können. Wirklich lange habe ich versucht ihr zu verzeihen, sie zu verstehen, die Familiensysteme aufzustellen, Rituale zu machen, mich abzulösen, unsere Seelenabsprache vor meine Wut und meinen Schmerz zu stellen. Alles nur weil der Schmerz massiv übermächtig zerstörerisch war und ich nicht in der Lage ihn zu fühlen geschweigeden auszudrücken. Was dran war und ist sind klare Grenzen, sehr klares „nichts mehr erwarten“ hartes mich nach außen vor der immer-gleichen Behandlungsweise schützen. Auch vor den Täterintrojekten, jenen Stimmen die das von ihr auf mich projizierte zu meinem eigenen machen, und mich ablehnen, brauchen dieses klare Stopp, halt nein, so nicht. Und alles andere was in mir lebendig ist in möglichst weiche liebevolle Fürsorge mit mir kleiden. Hier ging und geht es durch den Schmerz hindurch zu Freiheit von (dieser bestimmten biologisch ursprünglichen) Bindung. Als Erwachsene kann ich unabhängig abhängig sein, sprich meine Verbindungen wählen.
4. Schmerz, den wir anderen zugefügt haben
Dieser Schmerz ist noch schwieriger zu fühlen als der vorige, den andere uns zugefügt haben. Es ist leichter, in der Rolle des „Opfers“ zu bleiben. Aber was ist mit dem Schmerz, den wir anderen zugefügt haben? Dieser Schmerz kommt aus unserer eigenen Handlung, aus unseren Entscheidungen, aus dem, was wir gesagt oder nicht gesagt, getan oder unterlassen haben.
Warum muss dieser Schmerz gefühlt werden? Weil wir ihn sonst abspalten. Weil wir ihn sonst in chronische Schuld verwandeln und das lähmt. Aber echter Schmerz, bewusst gefühlt, kann heilen. Schuld wollen wir genauso vermeiden wie Scham. Dieser Schmerz fordert uns zur Auseinandersetzung mit unserem eigenen Schatten und unseren Täter-Aspekten in kleinen und großen Dimensionen. Wir triggern andere, wir verletzen andere. Bewusst und unbewusst. Und ja, wir sind sogar für die unbewussten Aspekte in uns verantwortlich. Voll fies, Schutz-Abwehr will das nicht. Wir haben eine Wirkung auf andere und damit müssen wir Frieden schließen und auch ehrlich verantwortlich sein für die Momente, wo wir andere verletzen. Wir sind verantwortlich, aber nicht schuldig. Und Verantwortung übernehmen hat etwas mit emotionaler Reife zu tun – die wir meist nicht vorgelebt bekommen haben.
Mein Beispiel: Ich habe meine jüngeren Geschwister, in der Erstazmutterrolle überfordert, nicht immer gut behandelt, sie nicht fürsorglich genug beschützt und ihnen schlicht nicht das stabile konstant präsente Mütterliche zur Verfügung stellen können, was sie gebraucht hätten, um sich als kleine zarte Menschenwesen gut zu entwickeln. Ich war manchmal grob, ungeduldig, genervt und das tut mir aufrichtig leid. Es schmerzt mich bis heute ihnen nicht ausreichend meine Liebe gegeben zu haben, wohlwissend dass ich selbst viel zu wenig davon bekommen hatte.
5. Schmerz, den wir uns selbst zufügen
Dieser Schmerz ist meiner Meinung nach der tiefste und heftigste von allen. Daher auch am schwierigsten zu fühlen – dieser Ur-Unwertschmerz. Hach, was wir alles tun, um genau dies nicht zu fühlen. Oh weh! Denn anders als Verlust oder Verrat kommt er nicht von außen – er ist hausgemacht. Er zeigt sich in Selbstkritik, in Perfektionismus, der Unfähigkeit Grenzen zu setzen, der Scham beim um Unterstützungbitten. Selbstbestrafung und das Vermeiden von Liebe, weil da die Angst sitzt, sie nicht zu verdienen bzw. wieder zu verlieren. Wirklich eingelassen auf die Liebe, komplett offen, mit schutzlosen Herzen zu leben ist ein Risiko, total verwundbar und doch wunderschön, wenn es gelingt, diese komplette Herzoffenheit trotz allem zu leben. Eine grundsätzliche Offenheit dem L(i)eben gegenüber in bedingungsloser Akzeptanz wie es sich zeigt ein ja zugeben und dem was mir weh tut Liebe, Fürsorge und Raum zugeben. Ein ja das die neins umfasst und allem ein Daseinsrecht gibt was ist.
Mein Beispiel: In mir ist diese klebrige Überzeugung der Liebe nicht würdig zu sein, sie mir verdienen zu müssen, erst noch heil(er) da sein zu können, damit ich dann in der fast heiligen Version liebbar bin und eine Beziehung erleben zu dürfen die stabil, liebevoll und bleibend mich meint. Er zeigt sich in der Projektion nach außen: „Gott liebt mich nicht so fehlerhaft wie ich bin“. Und die Wahrheit ist: „Ich liebe mich nicht.“ Dieser Schmerz ist existenziell. Die Überzeugung, dass das Leben gegen mich ist – wenn ich es eigentlich selbst bin, die sich gegen das eigene Leben stellt. Diese Erkenntnis ist schmerzhafter als alles andere, weil sie vor Augen führt, wie hart ich mit mir bin. Jeden Tag braucht es meine Wachheit, um nicht streng, fordernd mit mir umzugehen. In den großen und kleinen Momenten der Unachtsamkeit geschieht es ganz automatisch, dass mein innerer Dialog mein L(i)eben vernichtet bzw. in Frage stellt und an Bedingungen knüpft.
6. Traumaschmerz des „zu wenig“
Vielen ist der Teil der Traumatisierungen durch zu viel, zu schnell, zu früh, grenzüberschreitend was auch immer ein Begriff an aktiv Gewaltsamen möglich ist bekannt. Der für mich prägendere Teil ist jener der im Kosmos der Vernachlässigung zu Hause ist. Vernachlässigung ist die schlimmste Form von Gewalt (in der Psychotraumatologie), weil das Nervensystem und die Identitätsentwicklung beschädigt wird. Ein ohne präsentes und emotional verfügbares erwachsenes Wesen ist das Nervensystem im Dauerstress und eine Anpassung an die „Nichtexistenz“ geschieht, um ohne bzw. mit viel zu wenig und instabilen Kontakt überleben zu können. Unerfüllte existentielle Bedürfnisse verhindern, dass sich unser Leben verwirklichen kann. Es bleibt ein subtiles grundsätzliches Mangelempfinden, das ein greifen, suchen und nichts finden bzw. halten können reinszeniert. Eine ewige Suche nach Versorgung, gesehen, gewollt und wahrgenommen werden bleibt im Erwachsenen übrig. Es ist nie „wieder gut“, weil es noch nie gut war, also kein Anker existiert! Zuerst braucht es die Erfahrung von „geliebtwerden“ um als Referenzerfahrung eine Selbstliebe zu etablieren. Erst findet in der Lebensentwicklung (hoffentlich) ein zugewandt begleitet werden statt, ehe es möglich ist sich selbst zu halten, zu führen und zu begleiten.
Mein Beispiel: Viel zu wenig ganz früh und seither wiederholt. Das Empfinden von Fehlen ist so nah an mir wie sonst nichts. Da ist niemand der bei mir bleibt, wenn überhaupt mal wer kommt. Ich hab kein wohin ich leben kann, mich hat nie jemand an der Hand genommen oder körperlich und emotional empfangen, geschweigeden mal lange genug gehalten oder eine Schulter zum Anlehnen bereit gestellt. Die innere Prägung ist ganz tief drinnen die resigniert meint „da kommt eh niemand und wenn überhaupt mal wer da ist geht er oder sie gleich wieder“. Ein konstantes Gefühl von verloren sein „da ist niemand“ wie ein space cake das ausfranst und niemanden findet, der das Leben hält außer mir selbst und zwar angestrengt in ständiger Unsicherheit wie lange das noch gelingt. Das Nichts kann sich bis durch die Panik in ein Grauen ohne Existenz ausweiten. Ich erinnere mich wie oft ich als Kind schon völlig erschöpft gelaufen bin. Endlos weiter ohne jemand zu finden bei dem ich landen konnte. Es war nirgends gut, weil kein dort existierte wo ein wohlwollendes Bleiben mich empfangen hätte. Eine ewige Verzweiflung niemand brauchen zu dürfen, weil ich eh niemand haben kann, und wenn doch mal wer da ist, ich im unvermeidlichen wieder verlassen werden ins schwarze Loch des „niemand da“ falle.
Das macht unglaublichen inneren Druck, weil wenn ich nicht mehr kann, ist da niemand, kommt niemand, bleibt nur mehr das Siechtum. In mir war ein schreiendes Nein zur einsamen Existenz der Verlassenen und erst das genau diese Bedürftigkeit zu integrieren und den enormen Schmerz dessen was gefehlt hat zu fühlen erfüllt mit der Zeit ein wenig von diesem leeren Raum des fehlenden präsenten liebevollen Gegenüber. Heute tut mir meine Nähe selbst gut, oft reicht sie auch schon aus. Und ab und zu nicht, dann brauche ich an dieser Stelle auch Mitmenschlichkeit. Es ist wie Schornstein hoch klettern, erstmal einen Boden bereiten durch erstes Nachnähren und erfahren auch für mich gibt es Fürsorge in der Welt. Dann selber halten und nähren, meine Muster erkennen und liebevoll anhalten, dann wieder die andere Seite mit Nachnähren und um Nähe bitten und wieder mehr Kapazität für mich selbst entwickeln. Immer wieder sichere Zuwendung die bleibt, meine und im besten Fall auch die durch Erdenengel. Die Liebe zu mir wachsen lassen und mich darum kümmern, den unbekannten Raum der Geborgenheit zu erschließen. Ich brauche beides innen UND außen.
Ich wusste nicht was ich vermisse, weil ich nie in Liebe gehalten wurde. Im Spüren es gibt so etwas, ich kann gehalten werden und darf fragen „bitte nur halten“ ist es oft erst so richtig schmerzhaftes Heilweinen bis ich mich beruhige und erlebe „ich bin jetzt gehalten“, immer noch viel zu wenig und doch etwas. Gott da ist es endlich und Gott hat das gefehlt. Danke genau dieses Geschenk empfangen, einfach nur im Arm gehalten zu sein und weinend zärtlich gestreichelt zu werden. Nehmen dürfen und atmend da sein spürbar mit meiner Bedürftigkeit. Ein Leben damit ist gut möglich, dagegen unmöglich. Heute kann ich ab und zu etwas Schutz und Berührung erfahren trotz meines Mangelkraters. Auch wenn vieles glaubt, da kommt niemand mehr, um mir Geborgenheitsraum und nährenden Halt wahrnehmbar zu machen, ist es möglich, dass sich mir heute jemand freiwillig aus Liebe zuwendet. Am schönsten sind jene kostbaren raren Momente, wo ich noch nicht einmal darum fragen muss, sondern es einfach zu mir kommt und ich all das Gute was heute an Zuwendung auch da ist zulassend empfangen kann und die Anstrengung im und mit dem Fehlen hineinfällt in ein Dasein.
7. Weltbild-Schmerz
Achtung, hier fließt auch mein eigenes Weltbild mit ein, mit dem du vielleicht nicht resonierst.
Es gibt diesen subtilen, oft übersehenen Schmerz, der entsteht, wenn unser Weltbild zerbricht, wenn wir in eine Sackgasse kommen. Das hat viel mit De-Konstruktion und Des-Illusionierung zu tun. Was meine ich damit? Es könnte zum Beispiel so aussehen: Du glaubst, dass eine gute Beziehung aus ordentlichen Kompromissen besteht. Die Mainstream-Therapie flüstert dir ein, dass du Bedürfnisse nicht von einem Menschen bekommen kannst und nichts erwarten darfst. Und dann bekommst du plötzlich eine neue Information und neues Erleben, die das Weltbild sprengt: Was wäre, wenn eine gute Beziehung auf Resonanz und Seelenführung basiert und die gemeinsame Erfüllung göttliche Bestimmung ist. Mein Gegenüber gerne meine Bedürfnisse erfüllt und sogar Freude hat, wenn ich sie mitteile. Das ist zwar erst schmerzhaft, und dann auch erlösend, weil du dich dadurch vermutlich bisher von deiner Seelen-Wahrheit abgetrennt hast und nun endlich die Möglichkeit bekommst wahrhaftig natürlich erfüllt zu sein.
Mein Beispiel: Ich habe Jahrzehnte meditiert und in der Nondualitätsspirituaität zugebracht. Dieses Weltbild besagt: Das Ich ist eine Illusion, eine Anhaftung an Identität, die die Ursache aller Probleme ist. Die Seele gibt es nicht oder ist nur eine Projektion auf das Leben danach. Und dann plötzlich erweiterte sich mein Kontext, ich realisierte, dass dieses ganze non-duale und transzendente Projekt zum Scheitern verurteilt ist, weil ich gegen das Menschsein unterwegs war. Ich wollte weg, weg von diesem schmerzhaften Körper und raus aus der miesen Menschensoße meiner Geschichte. Dabei hab ich das Leben verpasst und meine Individualität verleugnet, mitunter auch mein banales Menschsein verachtet. Das zu realisieren ist erlösend und schmerzhaft zugleich. Ein Prozess der Des-Illusionierung von spirituellen Konzepten und der Selbstannahme im ganzen gelebten eigenen Menschsein.
8. Schmerz durch Herzoffenheit
Diese Art von Schmerz ist in meiner Erfahrung die weichste Variante. Durch tiefes Mitgefühl und Liebe für die Empfindungen des Anderen, fühle ich die Präsenz haltend den Schmerz mit. Er wird damit auch in mir fühlbar. Meist ist er auch in mir vorhanden und darf mitfließen und das Erleben bezeugen. Gleichzeitig wissen wir, dass dies nicht unser Schmerz ist, weil wir nicht verschmolzen sind mit dieser Person, sondern uns als eigenständiges Wesen erfassen und wir dies niemandem abnehmen können. Hier müssen wir nichts für uns an Schmerz durchfühlen und sind gleichzeitig fühlend präsenter Raum für alles was sich zeigt. Das hat eine Qualität von echter Berührbarkeit, die über inhaltliches Verstehen oder people-pleasing Empathie weit hinaus geht.
Mein Beispiel: Einsamkeit ist wie hier im blog schon ausführlich beschrieben ein Kernschmerz und fast alltägliches Erleben. Bin ich mit Menschen die, diese tiefe Einsamkeit ausstrahlen, offenlegen, sich darin mit mir verbinden, geht mir das Herz über und universelle Kräfte strömen ein, um genau darin Beistand zu sein und selbst für mich Beistand zu empfangen.
9. Past life pain
Ja, auch aus vorherigem Leben bringen wir Schmerz mit, oft ist das richtig diffus und je nach Therapie-Weltbild teilweise gar nicht als solcher erkennbar, sondern als Kindheitstrauma einsortiert, anstatt das auch ein vorheriges Leben und die Wirkung von Karma dazugesagt wird. Und dann ist auch vermutlich keine vollständige Integration möglich. Ich finde es heikel, weil hier viel nur erlebbar und nicht belegbar ist. Gleichzeitig habe ich selbst einige Prozesserfahrung machen dürfen und da damit hat sich so viel mehr Sinn und Lösung von „altem und transpersonalen Schmerz/Karma“ ergeben. Ich bin froh den Kontext zu haben, weil ich mich selbst sonst weiter gegaslighted hätte für diverse irrationale Ängste, Schmerz, Ekel und Einsamkeit.
ABER, nun das großes Aber!
Ja, Schmerz ist wichtig, aber die ganze Zeit damit im Kontakt zu sein und sich darauf zu fokussieren, kann bedeuten, dass wir das Leben nicht mehr mitgestalten, vielleicht unproduktiv-unpraktisch werden. Wenn ich die ganze Zeit den Berg hoch hetze ohne eine Pause zu machen, um mal die famose Aussicht zu genießen, dann verpasse ich etwas. Ich kenne das zu gut, sowohl das Berge raufrennen, wie dieses sich verrennen im „Durcharbeiten wollen“.
Dazu gibt es etwas das mich immer wieder schmerzt was eine Art Illusionsfreude ist, also ein so tun als ob eine Maskerade an Grinsen. Freude wird gern genutzt, um Schmerz zu betäuben. Das ist für mein System ekelhaft. Aber es geht auch umgekehrt. Manchmal nutze ich Schmerz, um Freude zu betäuben oder zu verstecken. Warum? Aus der Erfahrung das Lebensfreude mich ausschließt und isoliert. Aus einer Vorstellung, dass nur mit Schmerz tiefe Verbindung möglich ist. Das ist der beschriebene Loop-Schmerz. Freude ist Expansion und Offenheit, ja sie ist sogar verletzlich. Das will gehalten werden. Echte Freude ist verletzlich, tiefer als Schmerz und viel essenzhafter. Tja, aber was wenn da vielleicht die Erfahrung gewesen ist, dass ich zu doll aufgeregt voll Freude da war für die Mitmenschen die meinten, dass es gerade gar nicht passt. Kontraktion! Dann kommt der Schutz-Anteil, der Verstand der sagt „freu dich nicht zu früh, wein nicht rum, schon gar nicht vor Glück, Hochmut kommt vor dem Fall“.
Es geht weder drum uns mit Wille in die Freude zu bringen, noch mit Wille in den Schmerz zu bringen. Was, wenn unsere Seelenessenz neugierig und bereit ist, das zu fühlen, was auftaucht, was nunmal gerade Realität ist? Was, wenn das bedeutet, dass diese unsere Seelenessenz plötzlich von Freude auf Schmerz wechseln kann oder umgekehrt? Ganz ohne etwas zu dramatisieren, um Schein-Tiefe oder Pseudo-Verbindung zu erhalten oder ganz ohne etwas unbedingt ganz schön und lustig-locker haben zu müssen?
Es gibt viele Wege, den Schmerz zu begegnen oder zu entlarven. Ich hoffe, du hast beim Lesen das bekommen, was du in diesem Moment brauchst und bist neugieriger auf dich selbst und deinen Schmerz geworden. Lass mich gern wissen, was in dir aufsteigt, was sich ungesehen nun zeigt, was mir nicht zugefallen ist, was auch immer in dir lebendig ist.
Es gibt keine falschen oder richtigen Erfahrungen. Was auch immer gerade geschieht oder in uns auftaucht, was auch immer geschehen ist oder sein wird, es ist einfach ein Ausdruck des Lebens. Das Leben widerfährt uns, in aller Vielfalt und scheinbaren Paradoxie. Es lässt sich nur durchs Herz verstehen, im tiefen Mitgefühl mit sich selbst, im Berührtsein jenseits der Gedanken und Geschichten, die das Leben verdecken. Leben ist mal mehr mal weniger intensiv, je mehr wir versuchen es zu kontrollieren, desto mehr Energie staut sich auf. Je mehr wir es so sein lassen, wie es ohnehin ist, können wir an der Anspannung vorbeiströmen. Je wacher und stiller wir im Herz sind, desto tiefer, höher und weiter fließt die Energie.
Die Vermeidung wirklich zu fühlen, wahrzunehmen, was in Vergessenheit geraten ist, die Abwehr von allem, was uns tiefere Berührbarkeit schenken will, ist der eigentliche Schmerz. Es ist der Schmerz der Seele, des Herzens, das einfach nur in der Weite und im ewigen Wandel atmen und sein, sich selbst erfahren, zurück in die Verbindung fließen will. Die oft unbewusste Angst vor den ‚großen‘ Gefühlen, verhindert das wach sein, mit dem was gerade durch uns geschehen will. Es erschafft den Eindruck, dass wir bestimmte Erfahrungen erzeugen oder vermeiden können, indem wir das Leben in immer wieder in neue Formen pressen. Das Leben lässt sich nicht instrumentalisieren, es will uns lehren, selbst das Instrument zu sein. Jeder Mensch hat seinen einzigartigen Klang, seinen unverwechselbaren Duft und Rhythmus, seinen eigenen Ausdruck, die eigene Schönheit.
Aus meiner Erfahrung und Erkenntnis geht es immer nur darum, das Leben vollständig in uns lebendig werden zu lassen. Uns über die gelernten und immer wieder neu fixierten Vorstellungen hinaus auszudehnen, Offenheit, Ahnungslosigkeit und Hingabe zu zelebrieren auch und gerade im Schmerz. Der Weg ist das Mitgefühl in mir und die Hingabe an mein Selbst.
Die große Heilung ist aus dem Kopf ins Herz.