Ich bin erwachsen. Und es hat 44 Jahre gebraucht, um das ehrlich von mir behaupten zu können. Obwohl man mich ab meinem dritten bis vierten Lebensjahr als Erwachsene behandelt hat. Und ja ich war die, die alleine klar kommt, ihre Medikamente selber nimmt, ihr neurodermitiskranke Haut versorgt, ihr emotionalen Befindlichkeiten selber „hält“, sich um ihr Essen, Anziehen, Sauberkeit, „Pflege“ des Körpers, die eigenen Bedürfnisse, Tagesrhythmus, Lernen, Haushaltssachen, Arztbesuche kümmert. Und oft um die Anderen auch gleich mit, emotional auf jeden Fall, alles einverleibt und versorgt was ging. Ich war mein Leben lang Symptomträger für jemand anderen. Jedes Mal mich übersehen ein Schub von was auch immer. Ich hatte Krankheitsschübe als Symptomträger für die Überforderung Anderer und hab das Leid ausgebadet.
Emotional dauerverfügbar diverse Energien durch meine so extrem hochempathische Anlage zu meinen machen. So habe ich mich körperlich, emotional und weiteres mehr ge- und missbrauchen lassen. Über all die Jahre habe ich in kindlichem „Hilfreichsein“ Not und Leid übernommen und in mir ausgetragen. Versucht etwas zu heilen und zu verarbeiten, also körperliche Symptome über meine eigene Psyche in den Griff zu kriegen und meine eigene Energie da rein stecken, was nicht meines war. Meine Heilerseele lebte sich in der gespiegelten Dualität aus, in dem sie das Leiden abzog, übernahm und selber leidete, also mich zum Opfer machte.
Echt authentische Erwachsene als Gegenüber mit ebensolcher Rückmeldung Fehlanzeige. Mangel halt, Fehlen als normal. Schon als Kind hab ich mich gefragt „wo die Erwachsenen sind“. Also selber versuchen, lange, alles, es von mir verlangen klar zu kommen. Lange scheinerwachsen oder erwachsen spielen. Total anstrengend bis meine Bedürfnisse, Wünsche, Wollen vernichtend. Nur zu geben und möglichst nichts brauchen, weil so gab es eine Existenzberechtigung und ab und zu so was wie Liebe, was eigentlich Aufgaben übernehmen und dafür Anerkennung bekommen war.
Ich wurde nicht geliebt, ich war nützlich. Sie mochten mich, weil ich unkompliziert war. Unkompliziert im Umgang, weil alles selber schaffend. Unkompliziert, sich auf mich zu verlassen. Unkompliziert, mich zu vergessen. Ich sagte Ja, wenn ich Nein sagen wollte. Lachte, wenn etwas nicht lustig war. Hielt Platz für Menschen frei, die mich nie gefragt haben, ob ich auch Platz brauchte. Ich wurde zu dem, den sie brauchten – nicht zu dem, der ich bin. In jedem Raum suchte ich nach Hinweisen. Was wollen sie? Wie soll ich sein, um geliebt zu werden? Denn authentisch zu sein, fühlte sich für mich als Kind/Scheinerwachsene wie ein Risiko an, das ich mir nicht leisten konnte. Ich habe akzeptiert werden durch leisten, mit sicher sein verwechselt. Wenn sie mich mögen, werden sie nicht gehen. Wenn ich nützlich bin, darf ich bleiben. Wenn ich selbstlos helfe, bleiben sie. Ich entschuldigte mich für meine Bedürfnisse, bevor jemand die Chance hatte, sie abzulehnen.
Anerkennung ist eine fragile Währung. Und eines Tages wachte ich bankrott auf. Ich war nicht ausgebrannt, ich war ausgelaugt. Ich habe nicht überreagiert. Ich habe mich überfordert. Und das Gewicht, „der gute Mensch“ zu sein, hat die Teile von mir erdrückt, die schreien, weinen, toben und nein sagen wollten. Ich dachte, wenn ich hilfreich und unterstützend bin, würden mich die Menschen lieben. Stattdessen haben sie vergessen, dass ich ein Mensch bin.
Jetzt sehe ich vollverantwortlich mein „mich in die hilflose Helferin“ scheinheiliges zum Opfer machen. Grauenvoll ja und befreiend, zurück geben immer wieder fragen „ist das meines“ und erleben es bleibt nichts. Die liebevolle Heilerin von dem Muster der Selbstaufopferung befreien. Genau hinschauen, in mir bleiben, loslassen und transzendieren. Ich brauche keine körperlichen Symptome, um etwas zu erkennen und auch keine um Aufmerksamkeit oder Wichtigkeit zu bekommen. Jetzt kann ich mir alles erlauben – auch mich selbst positiv und klar zu sehen.
Es war kein persönliches Versagen. Ich nahm all die Not wahr und wusste, dass ich mit ganz viel Liebe in mir heilen kann und hab aufgesaugt aus Nichtwissen und aus Grenzenlosigkeit. Heute bin ich erwachsen, reich an Erfahrungen und weiß, dass viel geben nicht bedeutet etwas zurückzubekommen. Grenzenlosigkeit und selbstlose Fürsorge, also meine Bedürfnisse übergehen, sind keine edle Stärke, sondern meine Schwäche. Eine lange Zeit unbewusste Form der Selbstaufgabe, die genau das mit mir machte, was meinem Umfeld früher dienlich war. Selbstaufgabe heißt im Kern „ich existiere nicht“, weil ich existiere für dich. Ich existierte über das übernehmen von Leid und geben von Liebe, während mein Eigenes keinen Raum hatte.
Ich habe kaum Raum eingenommen. Meine Grenzen, Gefühle, Bedürfnisse und Wahrnehmung wurden nicht ernst genommen, beziehungsweise habe ich diese nicht klar genug kommuniziert, sprich mein Selbst war nicht wahrhaftig da. Dadurch bin ich in Kontakt kaum aufgetaucht mit meinen Bedürfnissen und hab zunehmend die Verbindung zu ihnen verloren, und meinen inneren Halt nie gefunden. Der Preis war hoch, lange leer ausgehen, erschöpfen, krank weiter geben/arbeiten, das eigene System überlasten. Es war sichtbar, es ging automatisch, es brauchte (und brauch) viel Achtsamkeit, Spürbewusstsein und Geduld das zu verlernen und mich zu erlauben. Meine Grenzen und mein Fühlen sind kein Luxus, sie sind mein Fundament selbst zu existieren.
Die fehlenden Grenzen etablieren und nicht versuchen ein noch „bessere“ Menschen zu sein (das macht es noch schlimmer). In kleinen Schritten üben im Alltag Raum einzunehmen, Pausen nehmen und nur da sein, meine Meinung äußern, für mich einstehen und das möglicherweise Unangenehme kurzfristig in Kauf nehmen (womöglich nicht gemocht oder abgelehnt zu werden) mit Blick auf das eigene langfristige Wohl. Meine eigenen Bedürfnisse echt (Empfundene Bedürfnisse spüren nicht gedachte!) wieder spüren und klar für sie einstehen (lernen). Meine Bedürfnisse in Kontakt verkörpern und mich damit in Kontakt zu bringen, genauso wie anderen zutrauen, dass sie sie gerne erfüllen und in der Lage sind ihr nein zu äußern, wenn das nicht so ist. Und selbst in der Lage sein damit fein zu sein, egal wie die Reaktion ausfällt.
Ich bin endlich ehrlich. Ich will nicht mehr die sichere Wahl sein. Die Zuverlässige. Der emotionale Schwamm. Ich bin fertig mit dem ungedankten emotionale Unterstützerin sein. Ich möchte für meine Seele geliebt werden, nicht für mein Schweigen oder hilfreiches Tun. Ich schrumpfe nicht mehr, nur um dazuzugehören. Wenn Liebe erfordert, dass ich verschwinde, dann bin ich lieber allein. Denn ich verdiene es, voll und ganz zu existieren. Und wenn es schwer ist, mich zu lieben, weil ich Gefühle habe (und auslöse) und Grenzen, dann haben sie mich vielleicht nie wirklich geliebt.
Ich bin also nicht gewachsen, weil das Leben mich geliebt hat. Ich bin gewachsen, weil es mich geprüft hat. Ich bin gewachsen, weil es mir Menschen gesandt hat, die mir meine Wunden spiegelten, meine Masken zerrissen, meine Erwartungen zum Einsturz brachten.
Ich bin nicht gewachsen durch Bestätigung. Ich bin gewachsen durch Stille. Durch überabzählbar viele Nächte, in denen niemand kam. Durch unzählige Tage, an denen ich meine eigenen Tränen trinken musste, bis ich begriff „ich hab nur mich“. Dort wo die (meisten) Menschen sind, ist selten die Wahrheit, und dort wo die Wahrheit ist, sind kaum Menschen. Das Licht der Wahrheit ist keine Lampe – es ist eine potentiell stechend verletzende Flamme, die alles verbrennt, was nicht echt ist. Besser, von dieser Flamme verzehrt zu werden, als weiter im süßen Gift der Lüge zu schlafen.
Ich bin nicht gewachsen, weil jemand mich gerettet hat. Ich bin gewachsen, weil ich mich selbst gehalten habe, in meinen dunkelsten Momenten die sich durch die Jahre zogen, in meiner größten Sehnsucht die immer noch glüht, in der Selbstannahme der Einsamen, die wieder und wieder nicht gewählt wurde, im Feuer des Nichtgewähltseins, das alles verzehrt, was nicht echt ist, jede Abhängigkeit, jede Täuschung, jede Illusion von Gegenseitigkeit, jeden Traum von Erwidertwerden, vollständige Enttäuschung herrlich ehrlich, die vollständige Resignation aller Muster, der Segen schlecht hin, weil nur mehr Hingabe möglich ist.
Wahrheit ist kein Trost.
Dunkelheit und Einsamkeit kommen,
um alles neu zu ordnen,
in Wahrheit.
Der Tempel des Lichts ist kein Ort, kein System und keine Religion.
Er entsteht erst, wenn alle Masken gefallen sind.
Und spätestens am Ende wird jeder diesem Licht begegnen.
Ich sehe Lippen, die von Liebe sprechen, während ihre Herzen tot sind.
Hände, die heilen wollen, doch selbst in Ketten liegen (so wie meine früher).
Worte, die schön klingen, aber nie den Schmerz kannten, den sie predigen.
Für mich gibt es nur eine Wahrheit.
An sie halte ich mich, auch wenn sie mich alles kostet.
Wenn (m)ein Mensch stirbt, dann aus Mangel an Liebe (in mir),
an Feigheit und oder an Gleichgültigkeit.
Wir kamen allein. Wir gehen allein.
Das Einzige, was wir uns schenken können,
ist ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen
ehrlich, nackt, ohne Illusionen.
Besser nackt in der Wahrheit stehen als im schönsten Gewand der Lüge schlafen. Besser ich selbst alleine als gewollt, gewählt, geliebt werden für etwas was ich nicht bin (mein helfen, tun, leisten, bewegen, dienen, zurückhalten, wissen, geben). Das ist erwachsen leben. Ich lerne weiter jeden Tag bei MIR zu bleiben und alle(s) andere loszulassen. Heilsein braucht Wahrheit und von innen nach außen ist der Weg. Es ist ein schmaler Grat – zwischen Bewusstheit und Bewegung, zwischen Erkenntnis und Verkörperung. Jede Erlaubnis, so sein zu dürfen, Wünsche zu haben, auch Bedürfnisse und sogar Bedürftigkeiten, sind die stärksten Worte der Ermutigung, weil sie den Raum öffnen, sein zu dürfen, wie ich bin.
Heute weiß ich. Ich brauche niemanden, um vollständig zu sein. Ich gebe, weil ich da bin, präsent, nahbar, klar, wahrhaftig. Selbst in meiner „schlimmsten Version“ bin ich ein Beitrag. Ich liebe, weil ich Liebe BIN. Ich bleibe, weil meine Wurzeln tief im Kosmos verzweigt sind. Ich gehe, wenn es Zeit ist ohne Bitterkeit, als Liebende.
Ich war die Suchende.
Jetzt bin ich der Raum.
Der Raum, in dem Liebe frei atmen kann.
Alles, was ich suchte, bin ich selbst.
Und jetzt wo ich da bin, ist die Suche vorbei.
Bewusstheit ist der erste Schritt.
Aber Heilung geschieht nicht im Verstehen,
sie geschieht im Moment,
in dem du bleibst fühlend und spürend,
wo du sonst gegangen wärst.
In dem du weich wirst,
wo du früher hart geworden bist.
Nicht aus Zwang.
Sondern weil du zum ersten Mal
wirklich da bist.
In Wirklichkeit geht es „nur“ ums Dasein,
und schlicht selbst ehrlich da zu sein reicht,
damit ist alles Notwendige getan.
Ja es darf auch Mal richtig weh tun,
ja ich bin mir selber ab und zu viel
und nein es gibt keine Alternative.
Erwachsen sein ist Dasein in und mit allem.
Der Schlüssel heißt Liebe,
in Liebe zu allem sein,
innen zuerst und vor allen/m.
Erwachsen sein bedeutet
die Wahrheit zu lieben
und Wahrhaftigkeit zu leben.
Liebe ist kein Tun. Liebe ist in Verbindung sein, uns nicht mehr vom natürlichen Miteinander abschneiden.
Kontakt tut nicht weh. Kontakt ist heilsam. Nur die alte Erfahrung davon, die wir zwischen den Kontakt schieben, hat die Kraft, uns in der Illusion der Lieblosigkeit zu halten. Wir schneiden uns von der Verbindung ab, weil wir in ihr so tief berührt werden, dass unweigerlich jede alte Wunde zum Vorschein kommt. Der Versuch den Schmerz zu umgehen, erzeugt Schatten. Der eigene Schatten verzerrt die Energiefelder und das Bewusstsein von Menschen, die sich in diese Felder begeben. Je größer der Schmerz ist, desto heftiger schneiden wir uns aus der Verbindung wieder ab. Jeder Schmerz löst sich auf, wenn wir den Mut haben uns selbst in ihm zu begegnen. Es ist herausfordernd, klar zu bleiben, wenn wir in starken Energiefeldern sind, die Schatten werden überdimensioniert und wir sind aufgefordert uns klar zu fokussieren. Auf die tiefste Wahrheit, die wir in uns haben.
Liebe entsteht durch Selbstannahme. Wenn wir uns selbst nicht mehr angreifen, kommt die Liebe wieder ins Fließen. Offenheit und Demut, Mitgefühl und Bedingungslosigkeit, kann diese tiefen Verletzungen wieder in die innere Geborgenheit führen. Die Liebe lässt sich nicht betrügen, sie weicht zurück, wenn wir fordern. Sie geht, wenn wir sie lenken wollen, sie lässt sich nicht manipulieren, auch wenn wir noch so gute Rollen spielen. Liebe ist tiefes Annehmen von dem was war, ist und sein wird.
Liebe hilft uns geschmeidig und demütig zu sein, sie zeigt uns, was natürlich und nährend ist. Sie öffnet uns, wo wir selbst nicht in der Lage dazu sind, und wo wir es am Wenigsten vermuten. So zeigt sie uns, dass sie überall ist. Alles ist durchdrungen von Liebe. Und sie zeigt sich, wenn wir uns ganz frei machen. Liebe heilt uns von Innen, sie ist grundlos, alles ist von ihr durchdrungen. Bis in die tiefste Resonanz und in die höchsten Sphären. Liebe braucht keinen Grund, sie ist Ursprung und Sinn des Lebens.